Das Wohlergehen von Zimmer- und Gartenpflanzen nimmt sich des Öfteren als Herausforderung aus. Neben dem richtigen Platz braucht es eine optimale Versorgung mit Wasser, Licht und Nährstoffen sowie die stetige Kontrolle von Faktoren wie dem pH-Wert, Wärme oder Luftfeuchtigkeit, um ein gesundes Wachstum zu gewährleisten. Ein zu viel oder ein zu wenig hat ebenso leicht desaströse Folgen wie eine längere Abwesenheit aufgrund von Urlauben. Der technische Stand unserer Gegenwart eröffnet uns bei der Bewältigung dieser Aufgabe aber durchaus Möglichkeiten: In einer Welt smarter Telefone und vernetzter Häuser liegt es nahe, die Pflege von Pflanzen mit Hilfe von Technologie zu optimieren. Wenn zum Beispiel der PH-Wert der Pflanze sich verändert, könnte dies von einem Sensor ermittelt werden, der dann auch die notwendigen Schritte einleitet, und sei es nur eine Benachrichtigung per Messenger-Dienst. Auch wenn die Automatisierung der Versorgung zunächst simpel klingt, ist die Umsetzung doch schwierig.
Das diesjährige Bachelor-Science Camp, das von der Fachhochschule Erfurt unter dem Titel „Green2Smart“ ausgerichtet wurde, ging der Frage nach, wie sich smarte Technologien nutzen lassen, um die Versorgung von Innenraumbegrünungen zu automatisieren und zu optimieren. Achtzehn Studierende aus verschiedenen Thüringer Hochschulen und aus unterschiedlichen Fachdisziplinen sollten nicht nur eine vertikale Pflanzwand aufbauen und mit passenden Pflanzen bestücken, sondern diese auch mit Sensoren ausstatten und miteinander vernetzen. Den teilnehmenden Studierenden stellte sich somit ein bunter Strauß an Herausforderungen, die es gemeinsam zu meistern galt.
Die kooperative Herangehensweise an komplexe Problemstellungen ist ein Grundelement der Science Camps: In Erfurt konnten Informatiker mit Landschaftsarchitekten und Bauingenieurinnen, Gartenbaustudierende und Elektrotechnikern in sechs interdisziplinären Teams ihre jeweilige fachliche Perspektive einbringen, um eine gemeinsame Lösung zu finden. Wichtig war, dass die Mitglieder der Teams voneinander und auch von dem Herangehen der jeweils anderen Teams lernen konnten: Bei der Frage, wie die Beleuchtung anzubringen sei waren beispielsweise sowohl botanische als auch technische Aspekte zu betrachten, deren konstruktive Abwägung zum Ziel führte.
Neben dem Bausatz der Wand, der Pflanzen und der Technik bedurfte die Lösung der Aufgabe eines breiten Grundgerüstes an Wissen. Weil die verschiedenen Kenntnisse nicht allgemein vorausgesetzt werden konnten, wurden die Fundamente von Pflanzenkunde über Botanik bis hin zur Programmierung in mehreren Vorlesungen gelegt. Prof. Paul Lampert, der selbst die Professur für Kultur- und Betriebssysteme im nachhaltigen Pflanzenbau an der Fachhochschule Erfurt innehat, führte mit folgenden Fragen in das Gesamtthema ein: Welche Systeme der Raumbegrünung gibt es, welche Substrate und Pflanzen sind geeignet, wie sollten die Pflanzen in den Wänden arrangiert werden, auf welche Wachstumsfaktoren (Wasser, Säurekapazität, Nährstoffe, Wärme, Licht) ist zu achten und wie können diese gemessen und beeinflusst werden. Als zweiten wesentlichen Aspekt gab es eine Einführung in das weite Feld der Künstlichen Intelligenz und das maschinelle Lernen von Kristof Friess und Max Wendl von der Firma ve-plant. Die beiden Informatiker sind Alumni der FHE und haben, aus dem Wunsch heraus, Gemüse im Innenraum anzubauen, eigene smarte Pflanzwände konzipiert und stetig verbessert.
Gemeinsam übernahmen sie die Einführung in die Programmierung und standen den Studierenden, während des gesamten Science Camps bei der Umsetzung zur Seite. Durch diese Unterstützung konnten sich die Studierenden der Programmierung ihres Einplatinenrechners und der Kopplung mit verschiedenen Sensoren und Aktoren widmen.
Die erste Woche endete mit einer Exkursion zum WIR-Quartier in Erfurt und einer Inaugenscheinnahme einer schon umgesetzten Fassadenbegrünung.
Neben der beständigen Weiterentwicklung der Wände wurden in der zweiten Woche weitere Aspekte vertieft: Zum einen ging das Science Camp der Frage nach, ob sich eine schlechte Raumakustik mit Hilfe von Pflanzwänden als Akustikelemente verbessern ließe. Lena Tschiersch, Alumna der Fakultät Bauingenieurwesen an der FHE, Mitarbeiterin der THT Akustik Gbr in Ilmenau unterstützte hierbei die Studierenden: Zunächst galt es, die vorherrschende Akustik eines Seminarraums auf dem Grünen Campus zu messen und die Nachhallzeit zu berechnen. Im Anschluss wurden entlang der Raumkante Absorberelemente ausgelegt, deren poröse Oberfläche die Streuung des Schalls minderte und so den Raumklang verbesserte, was sich durch eine zweite Messung nachweisen ließ. Der dritte Teil ging den akustischen Effekten der Pflanzwände nach, die zwar durchaus einen Einfluss hatten, der aber nicht so stark ins Gewicht fiel wie jener der Platten. Durch andere Oberflächen der Wände könnten sich die positiven Effekte verstärken lassen, so das Resümee dieser Testphase.
Andere Themen waren grüne Fassaden im Außenbereich, über das Maria Hartmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Bauphysik an der Bauhaus-Universität Weimar, berichtete. Ferner gab es einen Vortrag von Robert van Aerts, Mitarbeiter des niederländischen Unternehmens, das die beim Science Camp verwendeten Pflanzwände vertreibt. Er gab einen Einblick in die Möglichkeitsräume von Innenraumbegrünungen, die in Größe und Form durchaus opulentere Ausmaße annehmen können. Abgerundet wurde die zweite Woche von Claudia Frank, als Landschaftsarchitektin und Gartentherapeutin ebenfalls eine Alumna der FHE, mit ihrem Beitrag über die positiven Effekte von Grün auf die menschliche Psyche.
Da so am Ende nochmal die Sinnfälligkeit des Projektes einer smarten Optimierung der Innenraumbegrünung allen vor Augen stand, konnte das Science Camp mit der Präsentation der Wände sowie eines Posters und der Übergabe der Zertifikate nach anderthalb Wochen enden.
Die Science Camps gehen auf eine Initiative der Allianz Thüringer Ingenieurswissenschaften zurück und werden jeweils halbjährlich alternierend zwischen Bachelor- und Master-Studierenden von abwechselnden Hochschulen ausgerichtet. Neben der interdisziplinären Kooperation steht der Kontakt der Thüringer Studierenden untereinander im Mittelpunkt dieser Veranstaltungen.