Was sind eigentlich Ingenieurwissenschaften und mit welchen Themen beschäftigen sie sich? Und welche Rolle spielen sie bei der Lösung von Zukunftsfragen wie der Digitalisierung, Automatisierung und Dekarbonisierung? Diese und andere Fragen standen im Zentrum des Tages der Ingenieurwissenschaften, den HSM Mitte Juni unter dem Titel „risING. Regionale Innovationen, globale Transformationen“ ausrichten durfte.
In einem vielfältigen Programm präsentierten sich die Thüringer Ingenieurwissenschaften: Neben Vorträgen, in denen verschiedene Projekte aus Forschung und Lehre einen Einblick gewährten, konnte sich der wissenschaftliche Nachwuchs in einem Pitchwettbewerb beweisen. Abgerundet wurde das Programm durch eine Posterpräsentation und eine Ausstellung von Kooperationspartnern. Leitend blieb die kooperative Ausrichtung der Ingenieurwissenschaften, die auch ein Markenkern der Allianz Thüringer Ingenieurwissenschaften darstellt.
Die Allianz THÜRING ist ein Bündnis sieben Thüringer Hochschulen mit ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen, das es sich zu Aufgabe gemacht hat, die Bekanntheit der Ingenieurwissenschaften in der Öffentlichkeit zu steigern und junge Menschen für das Studium der Ingenieurwissenschaften zu begeistern. Neben der Allianz THÜRING unterstützte die Thüringer Ingenieurskammer das Organisationsteam der Hochschule Schmalkalden bei der Umsetzung des Tages, zum Beispiel bei der Bewertung der Pitches.
Um was es geht
In seiner Begrüßungsrede wies Professor Gundolf Baier, Präsident der HSM und Sprecher der Allianz THÜRING, auf die verschiedenen Herausforderungen unserer Gegenwart hin, auf welche die Ingenieurwissenschaften innovative Antworten finden müssten und würden: Neben der Demographie seien dies die Digitalisierung und Dekarbonisierung. Gerade anhand der letzten Aspekte würden die Potentiale der Ingenieurwissenschaften deutlich: Techno- und ökologische Transformationsprozesse prägten bereits heute unseren Alltag von der Kommunikation über Behördengänge bis hin zu Einkäufen, und würden dies in Zukunft immer stärker tun. Darüber hinaus spielten die Entwicklungen auch eine immer größere Rolle für die Wirtschaft und den Standort Deutschland.
Der Tag der Ingenieurwissenschaften steckte seinen thematischen Fokus bereits im Titel ab. Einerseits wurde hier ein Bezug zur RIS-Strategie der Landesregierung hergestellt, die auf eine regionale Innovationsagenda abzielt. So wurden Handlungsfelder definiert, in denen relevante Entwicklungen für unsere Gesellschaft erwartbar sind. Zudem wurden die Potentiale verschiedener Regionen Thüringens markiert und erste Initiativen ihrer Vernetzung ergriffen. In einem kleinen Bundesland wie Thüringen kann Forschung keine One-Man-Show sein, vielmehr legen die kurzen Wege eine enge, produktive Zusammenarbeit nahe.
Als Offerte an die Öffentlichkeit ging es neben der Illustration der gesellschaftlichen Relevanz und der Innovationskraft der Ingenieurwissenschaften darum, was die Themen der Ingenieur:innen sind, vor welchen Herausforderungen sie stehen und wie sie mit den Aufgaben umgehen. Welche Bereiche umfasst das ingenieurwissenschaftliche Spektrum und wie gestalten sich die in- und externen Austauschbeziehungen, zum Beispiel zu den Forschungsbereichen von Unternehmen? Aber auch wissenschaftsbegleitende Themen waren am Platze: Wie lassen sich Patente einrichten, Netzwerke nutzen, Start-Ups gründen sowie Forschungsdaten in der wissenschaftlichen Community oder der Öffentlichkeit teilen? Der Tag der Ingenieurwissenschaften nutzte die Gelegenheit, um ein Licht auf all diese Aspekte zu werfen.
Beiträge
Ganz in diesem kooperativen Geist konnte Professor Frank Schrödel von der Hochschule Schmalkalden die hochschulübergreifende Forschungsgruppe vernetztes und kognitives Fahren, kurz CoCoMobility, vorstellen. Neben der HSM sind die FHE, die TUI und die BUW an diesem Forschungsprojekt zum Thema intelligente Vernetzung moderner Mobilität beteiligt. Die Vielfältigkeit der Kooperationspartner spiegelt die Komplexität der hier einbegriffenen Themen: Neben der intelligenten Verkehrsinfrastruktur und der Vernetzung von Fahrzeugen, Infrastruktur und Testumgebungen arbeitet die Forschungsgruppe an der verkehrlichen Wirkung, Aspekten der Sicherheit sowie der Einflüsse der Umwelt.
Professor Roy Knechtel stellte den neuen Forschungsschwerpunkt 3D-Elektronik-Systeme der HSM vor. Die Welt der Mikroelektronik sei noch heute weitgehend eine Scheibe, seien doch jene dünnen Siliziumscheiben, die sogenannten Wafer, die Grundbausteine. Dennoch ließe sich ein Trend hin zur Dreidimensionalität feststellen: Um die Funktionen moderner smarter Geräte auf engstem Raum erfüllen zu können, müssen Chips, Sensoren und andere technische Komponenten die dritte Dimension einbeziehen: Kurzum geht es darum, hochkomplexe Bauteile zu stapeln und zu verbinden, um so immer kompaktere, effizientere Komponenten zu erzeugen und den Erfordernissen von Funktionalität, Formfaktor, Passgenauigkeit und Rentabilität gerecht zu werden.
Neben diesen und anderen Vorträgen wurde auch dem wissenschaftlichem Nachwuchs Raum gelassen: Nicht nur wurden alle eingereichten Poster präsentiert, eine Auswahl der Einreichungen durfte sich auch in Pitches vorstellen. Hier können nur die prämierten Beiträge schlaglichthaft aufgenommen werden: Christian Diegel von der TUI stellte ein Verfahren vor, das eine Optimierung des Laserstrahlschweißens bezweckt. Infolge der hohen Prozessgeschwindigkeit lösen sich aus dem Schmelzkanal Spritzer: Durch die Addition einer Nebenintensivität nahe dem zentralen Laser ließe sich das Schmelzbad vergrößern und so die Dynamik des Materials verringern, was das Aufkommen von Ablösungen verringert. Lucas Hauck (HSM) widmet sich der additiven Fertigung elektronischer Bauteile: 3D-Druck-Systeme halten ein breites Repertoire an Verfahren und verwendbarer Materialien vor, wobei die Flexibilität die möglichen Lösungswege vervielfacht. Um den Aufwand individueller Ansätze zu minimieren, soll ein grundlegender Verfahrenskatalog entwickelt werden. Michael Werner von der HSM stellte das Innovationslabor KIOptiPak vor, das wiederum ein Teil des KI HUB Kunststoffverpackungen ist. Dessen Ziel ist es, Kunststoffverpackungen so zu gestalten, dass die Wiederverwertbarkeit maximiert und die Kunststoffabfälle von Verpackungen minimiert werden. Ansatzpunkt ist das Verpackungsdesign oder auch die Materialien. Werners Interesse lag auf der Qualität des wiederaufbereiteten Kunststoffreziklats und dem Umgang mit Schwankungen dieses Materials in der Verarbeitung.
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